Skip to main content

Allerhand Möglichkeiten

Entdecke Vaterfreuden

Text: Michael Venutolo-Mantovani

WIE DIE MEISTEN ELTERN GEHEN AUCH CHRIS SPEALLER UND SEINE FRAU SARAH ZUSAMMEN MIT IHREN KINDERN AUF EINE JÄHRLICHE REISE.

Sie wählen eine schöne Route, packen genügend Snacks, sowie die ganze Familie ein und fahren los. Solche Ausflüge schweißen die Familie zusammen, lassen uns interessante Orte erkunden und sorgen dafür, dass alle zusammen rauskommen.

ALLERDINGS GEHT ES NICHT ZUM GRAND CANYON, NACH HAWAI'I ODER GAR IN EINEN DISNEY-PARK. STATTDESSEN FAHREN SIE IN DIE BERGE RUND UM IHR ZUHAUSE IN PARK CITY, UTAH, UM EINE EPISCHE FAMILIENRADTOUR ZU ERLEBEN, WIE SPEALLER ES NENNT.

Alles begann vor sechs Jahren, als Chris und Sarah mit ihren damals 6 und 4 Jahr alten Kinder den Kamm eines nahe gelegenen Berges erklommen, um diesen anschließend wieder herunterzufahren. Spealler beschreibt die erste epische Familien-Tour als ein ganztägiges Abenteuer, bei dem es natürlich auch zu Problemen kam (sowohl mechanisch als auch emotional). Dennoch hatte das Quartett so viel Spaß, dass sich die Ausfahrt als jährliches Erlebnis etablierte.

„MITTLERWEILE FRAGEN SIE ALLE, WANN DIE EPISCHE FAMILIENRADTOUR WIEDER STATTFINDET“, BERICHTET SPEALLER AUS NEW MEXIKO, WO SEIN HEUTE 12-JÄHRIGER SOHN ROARK GERADE MIT SEINEM MOUNTAINBIKE-TEAM TRAINIERT. „ES LIEGT MIR SEHR AM HERZEN, DASS ICH MEINEN KINDERN ABENTEUER BIETEN KANN“, FÜGT ER HINZU.

SPEALLER ist ein 43-Jähriger Kraft- und Konditionstrainer, sowie Fitnessstudio-Besitzer, der sich als professioneller CrossFit-Athlet einen Namen gemacht hat

und für den die Berge schon immer ein Zuhause waren. Kurz nach seiner Geburt zog seine Familie von Salt Lake City in einen Vorort von Philadelphia, wo er aufwuchs. Spealler und seine Freunde fuhren überall mit dem Fahrrad umher, obwohl es dort kein Trailnetz gab.

„WIR VERBANDEN DIE VERSCHIEDENEN ORTE, DIE MAN NICHT WIRKLICH ALS TRAILS BEZEICHNEN KANN, MITEINANDER“, SAGTE SPEALLER, „WIR HABEN UNS EINFACH MIT DEM BEGNÜGT, WAS WIR ZU DER ZEIT HATTEN UND SIND DURCHS GRAS, ÜBER BAHNGLEISE UND SCHROTTPLÄTZE GEFAHREN.“

ABER AUF DEN REGELMÄSSIGEN FAMILIENAUSFLÜGEN NACH UTAH UND COLORADO SPÜRTE SPEALLER IMMER WIEDER DIE ANZIEHUNGSKRAFT DER REGION.

Er war von der Schönheit der Berge beeindruckt und fragte sich, warum seine Eltern mit ihm nach Pennsylvania zogen. Bevor er auf Grund seines Ringerstipendium an die Lock Haven University in Pennsylvania ging, schenkte ihm sein Vater sein erstes richtiges Mountainbike. Das führte dazu, dass sich seine Leidenschaft für das Biken im Gelände weiter ausbaute und vertiefte.

DA SEIN AUGENMERK DANN ALLERDINGS AUF SEINER RINGER-KARRIERE LAG, TRAT DAS RADFAHREN IN DEN HINTERGRUND,

BIS ER NACH SEINEM COLLEGE-ABSCHLUSS ZURÜCK IN SEINEN GEBURTSORT PARK CITY UND DAMIT ZURÜCK IN DIE BERGE ZOG.

Dieser Schritt öffnete ihm wieder die Türe zum Mountainbiken und entfachte seine alte Leidenschaft. Er fing an, Trails zu fahren, in einem örtlichen Bikeshop zu arbeiten und tauschte schließlich sein starres High-School-Rad gegen ein vollgefedertes Bike aus.

Bald darauf meldete er sich für ein hundert Meilen langes Mountainbike-Rennen in Park City an. Nach fünfzehn Stunden Fahrt und 20.000 Höhenmetern beschloss Spealler, dass die Wettkämpfe vielleicht nichts für ihn waren. Etwa zur gleichen Zeit trat auch CrossFit in sein Leben und nahm den Großteil seiner Aufmerksamkeit in Anspruch. Fast ein Jahrzehnt lang rückte Speallers Fahrrad in den Hintergrund, während er sich in der professionellen CrossFit-Welt immer mehr durchsetzte.

Aber als er sich aus dem CrossFit-Geschehen zurückzog, schlich Speallers Fahrrad, wie immer, zurück in sein Leben. Zum ersten Mal seit langer Zeit ging es bei seiner sportlichen Betätigung nicht mehr um den Wettkampf, wie es beim Ringen und CrossFit immer der Fall gewesen war.

„BEIM BIKEN GEHT ES MEHR UM DEN FORTSCHRITT UND DARUM, DASS DIE LEUTE SICH FREUEN, WENN MAN BESSER WIRD. DAS WAR SO ERFRISCHEND, NACHDEM ES IN MEINEM UMFELD IMMER SO WAR, DASS DER, DER DICH SCHLÄGT, BESSER IST ALS DU“, SAGTE SPEALLER.

DAHER LIEGT ES NAHE, DASS DAS FAHRRAD BEREITS EINEN GROSSEN EINFLUSS AUF DAS LEBEN VON ROARK, SEINEM SOHN, HATTE.

Schon im Kindergarten bemerkten Chris und Sarah, dass ihr Sohn in der Schule Schwierigkeiten bekommen würde und in der frühkindlichen Entwicklung immer in Rückstand zu sein schien. Trotz der Beteuerungen seiner Lehrer, dass er aufholen würde, weil die Entwicklung bei Jungen manchmal etwas länger dauert, konnte Roark bis in die fünfte Klasse nicht aufholen. Der Stress, den er in der Schule empfand, äußerte sich in Ängsten, die er zu Hause bei den Speallers zeigte. Zu diesem Zeitpunkt ließen Chris und Sarah ihren Sohn testen und fanden heraus, dass er ADHS hatte.

Wie es der Zufall wollte, widmete sich Roark zu dieser Zeit dem Radfahren. Die Speallers waren auf der Suche nach einem Ventil für Roark und entdeckten das Outlaw-Bike-Team in Orem, Utah. Chris fragte Roark, ob das etwas für ihn sei und schon bald lernte er, wie man mit seinem Bike im Gelände fährt, wie man Sprünge springt und mit seinem Mach 6 bergab fährt.

Innerhalb eines Jahres bemerkten Chris und Sarah eine deutliche Veränderung bei ihrem Sohn.

Welche Auswirkungen das Radfahren auf ihren Sohn hatte, bemerkten beide aber erst, als er während der Outlaw-Saison wieder zur Schule ging.

Als er nach dem Covid-Lockdown wieder in die Schule ging, sahen wir, wie ihn seine Angstzustände erneut einholten“, sagte Spealler. „Aber als dann der Frühling kam und er wieder auf das Rad konnte, legte sich das. Das Fahrrad gibt ihm einfach so viel Selbstvertrauen.“

Kurz nachdem Roark das Biken für sich entdeckte, fuhren er und Chris zusammen ihre Trailrunden und widmeten sich gemeinsam den Abfahrten und Sprüngen. Schon bald schaute Chris seinem Sohn bei den Rennen zu, wie auch sein Vater so viel Zeit seines Lebens verbracht hatte. Auch wenn Chris‘ Zeit als Rennfahrer hinter ihm liegt, juckt es ihn immer noch in den Fingern, wenn er Roark an der Startlinie beobachtet und sich fragt, warum er sich nicht für ein Rennen angemeldet hat.

„ICH DENKE, ICH MUSS MIR AN DIESEN WOCHENENDEN AUCH EIN BISSCHEN ZEIT FÜR MICH ALS PAPA NEHMEN“, SAGTE SPEALLER UND ERWÄHNTE, DASS ER IN DEN KOMMENDEN JAHREN MEHR RENNEN FAHREN WILL. „ES IST MIR EGAL, OB ICH ÜBERHAUPT EINEN AUFWÄRMLAUF MACHE. ICH WILL ES EINFACH NUR KRACHEN LASSEN.“

CHRIS BESCHREIBT ROARK ALS MEHR BERECHNEND STATT RÜCKSICHTSLOS.

Doch wie jeder Mountainbiker hat auch Roark schon so manchen Sturz erlebt. Chris half seinem Sohn Durchhaltevermögen zu lernen, indem er diese Stürze in die richtige Perspektive rückte und hoffte, dass er erkennen würde, dass sie eher die Ausnahme als die Regel waren. Er lehrte Roark, die seltenen Momente, in denen etwas schiefgelaufen ist, beiseitezuschieben und ihn an all die tollen und sturzfreien Momente zu erinnern. Spealler hilft seinem Sohn sich auf das Positive zu konzentrieren und gleichzeitig die Tatsache zu akzeptieren, dass Negatives passiert, aber man sich dadurch nicht seine Liebe für etwas ruinieren lassen soll.

Für Myla, die Tochter von Chris und Sarah, ist das Radfahren nur eine weitere Aktivität, die es zu entdecken gilt, wie Gymnastik oder Schlittschuhlaufen.

Auch sie ist immer begeistert von den epischen Familientouren und bereit neue Dinge auszuprobieren vor denen sie Angst hat. Der große Bruder Roark ermutigt und coacht sie dabei und lässt sie wissen, dass sie die Angst beiseiteschieben soll, da das Scheitern eher die Ausnahme, als die Regel ist.

Text: Michael Venutolo-Mantovani
Foto: Moe Lauchert

4zig