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Das Switchblade in Kanada

Schnell bis steinig – ist das Switchblade das perfekte Bike für British Columbia?

Als wenige Tag vor dem Abflug nach Kanada das schimmernde Blau meines neuen Switchblades aus dem Karton blitzte, machte mein Herz einen Satz! Einerseits war ich erleichtert, dass es das Bike trotz der aktuellen, globalen Situation rechtzeitig zu mir geschafft hat (Danke Pivot!), andererseits freute ich mich, es über die legendären Trails in dem Land zu jagen, dem wir den Großteil unserer Mountainbike-Kultur verdanken können – Kanada, genauer gesagt British Columbia.

YVR – Vancouver International Airport: Der Pivot Cycles Karton sieht recht unversehrt aus, die Schnüffelhunde dürften wohl nicht auf den frischen Geruch neuer Reifen anspringen. Ab in den Mietwagen damit und rauf nach Kamloops, das überraschend grün wirkt. Selbstverständlich kommt der Karton mit auf das Hotelzimmer und wird noch vor jeglichem Gewand ausgepackt.

Ich lerne, dass es in letzter Zeit übermäßig viel geregnet hat und es in manchen Teilen des Landes sogar zu Überschwemmungen gekommen ist. Der Fakt, dass Kamloops ein eher wüstenartiges Gebiet ist und man von dort die staubigsten Radl-Videos kennt, trifft diesmal nicht zu. Angenehme Temperaturen, Nieselregen und saftige Pflanzen säumen die Trails. Meine Leidenschaft, mit den Locals in Kontakt zu treten, belohnt uns damit, Jay zu treffen, einen Native, der auch richtig gut am Bike sitzt. Der lässt uns tief in die Geschichte seiner Vorfahren eintauchen und nimmt uns sogar zu einer Zeremonie mit.

"Die Trails, die er uns zeigt, sind von höchster Güteklasse"

Kamloops zeichnet sich durch sehr schnelle, flowige Trails aus und ich schicke das Switchblade über Drops, Roadgaps und durch unendliche Kurven und Wallrides eines alten Kanals. Dass Kamloops der Geburtsort des Freeridens ist, begreift man erst so richtig, wenn man am Gipfel der „Gravelpits“ steht. Riesige, bis zu 200 Meter lange Sand Abhänge laden dazu ein, das Fahrwerk zu sperren und ohne Bremsen seine Spuren in den Grund zu carven. Der Sand spritzt, sodass er die gesamte restliche Reise als Andenken in Schuhen, Gepäck und Rucksack ruhen, oder eher rieseln, wird.

Der zweite Stopp bringt uns nach Squamish. Auch dieses Gebiet kennt man aus diversen Videos, denn im absoluten Kontrast zum fünf Stunden nördlicher gelegenen, wüstenartigen Kamloops, prägen der Urwald mit seinen langen Bärten aus Moos und die vielen Steine das Landschaftsbild. Es ist egal in welchen Trail wir biegen, ob es scheppert oder rollt, jeder Einzelne ist ein Meisterwerk der Trailbaukunst. Immer wieder bin ich beeindruckt, wie souverän das Switchblade die härtesten Schläge einsteckt und Grip auf den schmalen Erdstücken zwischen den Felsen findet. Durch sein agiles Handling schmiegt es sich in die ruppigsten Trails und tänzelt mit Leichtigkeit über die nassen Wurzeln.

Wer mich kennt, weiß, dass meine Lobeshymnen auf das Switchblade keine Werbetexte sind, sondern dass ich oft am Trail stehen bleib, auf mein Bike runterschau und mir (wahrscheinlich viel zu oft) ein ehrliches „ja bist du deppad“ über die Lippen rutscht. Der Regen macht alles noch mystischer und am Ende des Tages sitzen schmutzige, aber unendlich glückliche Gesichter in der Howe Sounds Brewery. Schließlich muss die lokalen Craft Beers ja auch wer testen!

Mein dritter Stopp führt mich zu Ryan, einem meiner liebsten Freunde, den ich durch den Atlantik zwischen uns leider nicht oft sehe. Der lebt an der legendären North Shore nahe Vancouver. Zusammen mit noch einem Kumpel, für den anscheinend keine physischen Gesetze gelten, machen wir uns über die Trails her.

"Das North Shore ist bekannt für schroffe, gefährliche Rock Rolls & die wildesten Drops"

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mich dort sofort wohlgefühlt habe, aber mit der Zeit bekommt man ein ungefähres Gefühl dafür und das leichte Gewicht des Switchblades macht es einem spielerisch einfach. Wie ein Champion nimmt es jeden noch so brutalen Drop auf flache, felsdurchsetzte Landungen. Der Preis für eine falsche Abschätzung einer Felskante ist allerdings ein verlorener Zahn des Kettenblatts und eine um fast 90° verdrehte Kette, aber nach einer kurzen Reparatur und nur mehr 9 verfügbaren Gängen kann ich mich den weiteren technischen Raffinessen hingeben, während ich mich wundere, wer auf die Idee kommt, überhaupt solche Lines zu bauen.

Ehrlicherweise muss ich sagen, dass es gut tut, sich manchmal aus der Komfortzone zu wagen. Bikes auf das Tailgate des Pickups, ein Tragerl Bier aus dem Liquor Store und unten am Parkplatz bei den Dumpstern die After-Ride Besprechung. Bis auf Ryan habe ich keinen der Biker jemals zuvor gesehen und trotzdem unterhalten wir uns, als würden wir uns seit Jahren kennen. Da ist es egal, woher du kommst, wer du bist oder wie du ausschaust, Hauptsache die Flamme fürs Biken brennt in dir.

Beim Packen für den Flug bei Ryan daheim wird mir wieder einmal bewusst, wie privilegiert ich bin und bedanke mich im Stillen, während ich mein blitzblaues Pivot im Karton verstaue und sorgfältig polstere. Das ist gut so, denn der Karton wird dann für ein paar Tage auf den Flughäfen der Welt verschwinden, ehe er am Ende völlig zerschlissen doch seinen Weg zu mir findet.

Im Herbst wird’s dann übrigens einen Film über unsere Tage mit Jay geben, der uns tiefer in seine Kultur mitgenommen hat, als ich es jemals in Worte fassen könnte. Ich bin gespannt, wohin die Flamme mein Pivot und mich als Nächstes führt.

 

Blogbeitrag: Gerald Rosenkranz

Fotos: Mon Epic, Tom Klocker

Tanner