Skip to main content

Select your region and language:

Sail to Trail

Mit Wind im Segel und Bikes an Bord machen sich Harald Philipp, drei Freunde und ein Hund auf den Weg, die versteckten Trails der ligurischen Küste zu finden.

Wer ist Harald Philipp?

Ein Geschichtenerzähler und Mountainbiker von Beruf, Philosoph und Handwerker aus Leidenschaft. Ein Abenteurer, der nicht in Schubladen passt – schon gar nicht, wenn man mit einem Vornamen als Nachnamen durchs Leben geht.

1983 in Siegen geboren, hat er früh gemerkt, dass sein wirkliches Zuhause in den Bergen liegt. Mit wagemutigen Touren von den Alpen bis zum Himalaya wurde er zu einem der bekanntesten deutschen Mountainbiker.

Seit 2008 lebt Harald von seinen Abenteuern: als Autor, Vortragsredner und frei denkender Kopf, der mit seinen Geschichten Bilder, Ideen und Menschen in Bewegung bringt. Heute hat er seine Basis in einem Bergdorf auf 1.300 Metern Höhe in den ligurischen Alpen. Und immer auf der Suche nach neuen Trails und nach Wegen für einen verantwortungsvolleren Lebensstil.

Mit dem Bike entlang der ligurischen Küste

Die ligurische Küste gilt als abgegrast, was neue Trails betrifft. Zumindest dachte ich das. Doch dann stieß ich auf ein Video: ein waghalsiger Italiener, der sich mit dem Boot an die Ostküste schippern ließ, um dort eine uralte Steintreppe hinunterzufahren. Ein Sturz, Krankenhaus, Glück im Unglück und für mich der Weckruf: Da draußen wartet noch Abenteuer.

Mit einem Katamaran machten wir uns schließlich selbst auf, um die Küste zwischen Genua und La Spezia zu erkunden. Mit an Bord: mein langjähriger Freund und Trial-Weltmeister Tom Öhler, Enduro-Profi Louise Paulin und Ceppa, die wohl seetauglichste Hündin Italiens.

Aufbruch ins Unbekannte

Ein Winter in Finale ist herrlich. Endlose Runden auf perfekt geshapten Trails, Achterbahnkurven durch Erde, Fels und Stein. Mehr braucht man eigentlich nicht, um die dunkle Jahreszeit zu überbrücken. Doch irgendwann schlich sich das Gefühl ein: Es fehlt das Abenteuer. Der Gedanke an die geheimnisvolle Küste zwischen Genua und La Spezia ließ mich nicht los.

Also starteten wir unser eigenes „Boat & Bike“-Projekt. Skipper Davide, der nicht nur Boote, sondern auch Trails kennt wie seine Westentasche, organisierte einen Katamaran. Mit an Bord waren Trial-Weltmeister Tom Öhler, Enduro-Profi Louise Paulin und Ceppa, die wohl mutigste Bordhündin Liguriens. Von La Spezia aus machten wir uns auf, die Küste zu erkunden, nicht wissend, was uns erwartet.

Trails mit Charakter

Schon der erste Halt zeigte: Diese Küste tickt anders. In Sestri Levante warteten Slickrock-Platten und steile Rampen, die bergauf nur mit E-MTB-Trial-Tricks zu knacken waren. Spitzkehren, die man bergab locker mit dem Hinterrad setzt, verlangen bergauf plötzlich Präzision und Balance. „Trial on Trail“, nannte es Tom, und genau so fühlte es sich an.

Weiter nördlich, rund um Levanto, überraschte uns das Terrain mit sanft abgeriebenem Sandstein. Die Pfade schlängeln sich durch Pinien und Olivenhaine, immer wieder mit Blick aufs glitzernde Meer. Und sie fahren sich nicht nur bergab traumhaft, sondern erstaunlich oft auch bergauf – eine Rarität in solch steilem Gelände.

In Lerici, der Heimat von E-Enduro-Weltmeister Andrea Garibbo, zeigte sich die wilde Seite Liguriens: verspielte, aber extrem rutschige Trails, die jede Menge Kontrolle fordern. Hier merkt man schnell, dass diese Küste für Biker ein echtes Trainingslager ist – Technik, Balance und Kondition werden gleichermaßen gefordert.

Nicht jeder Spot war ein Glückstreffer: Der legendäre Sentiero Nr. 1 oberhalb von Portovenere entpuppte sich als unfahrbares Karstlabyrinth. Traumhafte Kulisse, aber fahrtechnisch eher ein Reinfall. Doch genau das macht Entdeckungen so spannend. Nicht alles glänzt, was auf der Karte vielversprechend aussieht.

Leben zwischen Boot und Bike

Das Meer wurde auf dieser Reise zu unserem Pausenraum. Morgens roch es nach Salz und Kaffee, mittags nach Seetang und Kettenöl, abends nach Diesel und Pasta. Wir froren öfter, als uns lieb war, aber ohne Winterkälte wären die Trails unbefahrbar gewesen. Im Sommer ist die Küste voller Touristen, ein Flow ist dann unmöglich.

Das Boot brachte uns an Orte, die wir sonst nie erreicht hätten. Es schenkte uns Nächte in kleinen Häfen, Schaukelbetten unter Segeltuch und den Luxus, jeden Morgen in eine neue Küstenkulisse aufzuwachen. Zwischen Seekrankheit und Glücksmomenten haben wir gelernt: Abenteuer beginnt da, wo Komfort aufhört.

Am Ende blieb die Erkenntnis: Auch an einer Küste, die scheinbar längst kartiert ist, gibt es noch Geheimnisse zu entdecken, man muss nur die Perspektive ändern. Manchmal heißt das: vom Sattel aufs Boot steigen.

Praktische Tipps für Bike & Boat in Ligurien

  • Beste Zeit: Winter (Dezember–Februar). Im Sommer sind die Cinque Terre voller Touristen.

  • Anreise: Auch ohne Boot machbar. Regionalzüge verbinden die Küstenorte und haben große Fahrradabteile (inkl. Ladeoption für E-Bike-Akkus).

  • Schwierigkeit: Steile, felsige Küstenpfade. Gute bis sehr gute Fahrtechnik nötig.

Trail-Highlights an der Ostküste

  • Sestri Levante: Slickrock-Platten, steile Rampen, Spitzkehren – ideal fürs E-MTB-Trial bergauf und bergab.

  • Levanto: Sandsteinpfade mit viel Grip, überraschend oft auch bergauf fahrbar.

  • Lerici: Verspielte, aber rutschige Trails – Heimatrevier von E-Enduro-Weltmeister Andrea Garibbo.

  • No-Go’s: Die Monesteroli-Treppe (gesperrt nach einem schweren Unfall) und die Trails bei Portofino (offizielles Bike-Verbot).

Text von: Harald Philipp
Fotos von: Christoph Bayer

Joanna