MountainBiken bei Mama Etna
Ein „behind the scenes“ beim FilmDreh für Bergauf-Bergab im BR-Fernsehen.
„Drehschluss - herzlichen Dank an alle. Das war der absolute Wahnsinn.“
Das Team rund um Michi hat schon vieles erlebt
und gesehen bei ihren Drehs. Umso stärker wirkt, wenn so ein Team von Bergfexen regelrecht angefasst ist in diesem Moment. KameraMann und Bergführer Tom Mandl setzt auf einer Mauer. Ich kann glasige Augen erkennen. Diese 5 Tage haben geliefert – und uns zu einer filmenden Seilschaft auf schwarzem Grund werden lassen…
Rückblende.
Der Beginn einer Freundschaft.
Diese Geschichte dreht sich nicht zuletzt um Peppe. Zertifizierter Vulkanguide. Passionierter Mountainbiker. Er hat einst von seinem Vater ein weißes Kona geschenkt bekommen. Daher rührt auch sein Spitzname „Peppe Kona“, unter dem sie ihn hier bis in den letzten Winkel zu kennen scheinen. Peppe ist am Etna aufgewachsen. Hat als kleiner Bub mit seinem Opa die Hänge des riesigen Vulkankegels durchkreuzt, um Äpfel zu ernten. Hat auf den Trails über seinem Heimatdorf Zafferana Etnea das Mountainbiken gelernt. Und ist zusammen mit seinem ein paar Jahre älteren und kongenialen Mentor GiamBa heute einer von genau 2 Vulkanguides, die das, was wir diese Tage für unseren Film erlebbar machen wollen, guiden können und dürfen.
Vor allem aber ist Peppe mittlerweile ein wirklicher Freund. Wir kennen uns seit 7 Jahren. Ich hatte damals eine TransSizilia geplant und ausgearbeitet und hatte diese ein erstes Mal vor Ort probiert. Nach 5 Tagen war klar: So funktioniert das nicht. Irgendwie hatte die Geschichte keinen Flow. Recht frustriert traf ich Peppe. In einem fantastischen Fischlokal an der Küste und zu einem sehr langen Abend.
Am Ende stand der Plan: Wir vergessen fürs erste die TransSizilia und schauen uns „Mama Etna“ genauer an. „Dieser Vulkan ist für uns Sizilianer wirklich wie eine Mama. Wir sprechen mit ihr, und sie mit uns. Das ist nicht einfach „nur“ ein Berg. Mama Etna schenkt uns sehr viel, die unfassbar fruchtbaren Böden zum Beispiel. Die Möglichkeit, mit dem Tourismus unser Geld zu verdienen. Aber sie kann uns in jedem Moment auch sehr viel nehmen.“
Sein Heimatdorf hat das vor gar nicht allzu langer Zeit erlebt. Wenige Meter vor dem oberen Ortsrand war der große Lavastrom zum Erliegen gekommen und hatte gerade noch einmal die ersten Häuser verschont. Anderenorts erging es den Bewohnern anders und die Lava hat sich die Häuer genommen.
Der Tag nach diesem ersten Zusammentreffen war mein erstes Mal, dass ich mit meinem Bike auf den Schultern auf dem Kraterrand des Etna stehen durfte. Peppe hatte uns von der Südseite hinaufgeführt. Kurbelumdrehung für Kurbelumdrehung im losen Vulkangranulat. Schritt für Schritt weiter oben. Dann stehst Du da, 3.300m über dem unweit in der Sonne glitzernden Meer. Da ist es im Vergleich von Garmisch auf die Zugspitze ein Katzensprung.
Und Du schaust Mutter Erde buchstäblich in die Seele. Je nach Aktivität faucht und dampft es, rumpelt und grummelt es. „Hier oben habe ich schon erwachsene Menschen weinen sehen. Weil es sie einfach ergriffen hat.“ meint Peppe. „Diesem Berg muss man sich mit Demut und Respekt nähern. Sonst wird Mama Etna ungehalten und dann entlädt sie sich.“ Am vorletzten Drehtag wird er in die Kamera sagen: „Das ist wie mit jeder anderen Frau auch: Selbst, wenn Du meinst, dass Du sie sehr gut kennst, Du weißt nie, wann sie explodiert.“ Peppe zeigt das Lächeln eines Buben, dem man einfach nicht böse sein kann.
25.Mai 2025.
Erster Drehtag.
Das Team war spät in der Nacht eingetroffen im wunderbaren Agritur „la Rocca della Rosa“, ein Haus mit Geschichte und direktem Blick auf die Gipfelregion des großen allmächtigen Vulkans. Das TrailXperience Team, bestehend aus TXP-Trainerin und Enduro-Rennfahrerin Leni, Birgit aus dem TXP-Office, TrailDog in Ausbildung Lenzi und meiner Wenigkeit, hatte sich bereits 2 Tage entspannt eingegrooved. Peppe lebt hier, der Glückliche.
Erste Tat und schon durch die bisherigen Drehs liebgewonnene Tradition: Anpassen des für Michi mitgebrachten Bikes. Er selber hat nämlich gar keines. Mountainbiken (er)lebt Michi vor allem während der Drehs, die ihn 1-2mal im Jahr aufs Mountainbike bringen. Beim ersten Mal in den Dolomiten hatten wir Angst um ihn. Mittlerweile bezwingt er hochalpine Trails und ich denke mir nicht selten: Was für ein Bewegungstalent.
Wir haben ein lindgrünes TrailCat für ihn dabei, das sollte ganz wunderbar mit dem schwarzen Untergrund und der saftigen Flora um uns herum harmonieren – und ist ganz nebenbei das perfekte Bike für das Biken auf dem Vulkan. Die übliche Routine, hier ein wenig Luft, dort an den Rädchen gedreht, die Bremsgriffe gut eingestellt und die Luft in den Reifen überprüft. Um uns herum wuselt das Filmteam bestehend aus Tom, Simon und Simmerl. Die ersten Bilder von den Vorbereitungen und unserem feinen Basecamp sind im Kasten. Die drei funktionieren so eingespielt wie ein Schweizer Uhrwerk und lieben es, am Berg auf die Suche nach ungewöhnlichen Aufnahmen zu gehen.
Am späteren Vormittag schweben wir mit der Gondelbahn Etna Sud auf 2.600m Seehöhe. Von hier heißt es: Langsam Tritt fassen. Es geht bergauf. Hier treffen gleich zwei Effekte aufeinander und schenken Dir Deine Portion Demut: Die Höhe ist das eine, dazukommt der leicht lose Untergrund, der immer dann, wenn der Tritt nicht ganz rund ist, einen Teil Deiner Kraft buchstäblich nach hinten losgehen lässt. Ruhig brauner. Die Motivation will mehr als der Körper geben möchte.
Heute heißt es für alle vor und hinter der Kamera: Witterung aufnehmen und sich an das ungewöhnliche Geläuf gewöhnen. Teils befahren wir Trails, vielfach aber Hänge. Freie Spurwahl. FreeRiden im wörtlichen Sinne. Große, langgezogene Riesenslalomschwünge. Das Spiel mit dem Schwerpunkt und der Zentrifugalkraft. Es fühlt sich wahrlich an wie Tiefschneefahren bei perfektem Schnee, nur eben auf Schwarz.
Mit jedem Meter und jedem Schwung justiert sich das Innere und wir lösen die Bremsen. Die Linie richtig lesen, mögliche versteckte Vulkangesteinsbrocken erkennen und umfahren, Rad ordentlich in die Kurve werfen, Druck drauf. Das Lavagranulat gibt einem ein wunderbares Feedback und gleichzeitig diesen gewissen Drift. Ich spüre und weiß, warum ich hier immer wieder so gern zurückkomme.
Dann ein Einschlag. Michi fehlt. Ein wenig zu viel Druck auf dem Vorderrad und genau dorthin ging sein erster Abflug. Hier, wo das LavaZeug feingerieben ist, passiert einem Gott sei Dank meist nicht viel. Seine Färbung erinnert an einen Kaminkehrer, und die offensichtlich geliebte Jacke hat (Daunen)Federn lassen müssen. „Nix passiert… aber gar nicht mal so leicht“ meint das Bewegungstalent. Also einen Motivationsgang zurückschalten und langsam herantasten.
Weiter unten der optische Hochgenuss für jeden Kameramann: Die weiten Freeride-Hänge werden verziert von saftiggrünen und weiß beblumten Kissen, dazu der weite Blick und die mittlerweile wieder glasklare Luft. „Es mandlt wieder“ höre ich mich sagen. Michi und ich wissen – wenn Kameramann Tom Mandl solche Bilder sieht, wird er nicht müde, diese in allen erdenklichen Einstellungen, Blickwinkeln und Perspektiven einzufangen. Für den Protagonisten heißt das: Gerne noch einmal nach oben und noch einmal fahren. Nur damit das klar ist: So ein Filmdreh ist durchaus eine Herausforderung an die Physis. Nicht nur einmal sind wir in der Vergangenheit nach überlanger Mandelei erst im Stockfinsteren abgefahren…
Der erste Abend: Wir essen sicherlich 75% der typisch Sizilianischen Küche und scheitern.
Es ist ein Scheitern voller Genuss. Und einmal mehr der Beweis der umwerfenden Gastfreundschaft auf Sizilien. Kaum dass wir sitzen, schwebt die nimmermüde Milena ein und bringt einen Teller nach dem anderen, bestückt mit all den kleinen schmackhaften Schweinereien, die die Sizilianische FusionKüche so wunderbar und die Abende lang und launig machen. Das kann der hungrigste BikerMagen nicht alles essen.
Peppe und ich sitzen über den Wetterberichten. An sich war geplant, den Gipfelkrater erst am 3. oder 4. Tag anzugehen. Doch es wird immer klarer: Der Wind wird immer stärker und von übermorgen an sind Windspitzen in der Gipfelregion von über 100km/h angesagt. Keine Chance für den Gipfel. Mama Etna ist kein Berg, den Du im Vorhinein perfekt planen kannst.
„Morgen oder nie“. Wir besprechen uns mit dem Team. Bei den Vorhersagen ist die Nordseite die Begünstigte, also planen wir für Tag 2 gleich den Gipfelangriff.
Auf dem Dach Siziliens.
Wir sitzen in einem dieser 4-rad-getriebenen Ungetüme slowakischer Bauart und lassen uns ein Stück in die Höhe shuttlen. Strahlendblauer Himmel. Ein paar Wolken spielen sich im bereits stärker werdenden Wind. Viel Zeit werden wir nicht haben. Also kurzer Check der Ausrüstung und der Bikes und los geht es. Erst fahrend. Dann zu Fuß und mit dem Bike auf dem Rücken. Ich persönlich liebe diese Langsamkeit der Fortbewegung in Gipfelnähe.
Eindrucksvoll – Kameraassistent Simon ist selbst auch Kameramann und so sparen wir sehr viel Zeit bei doppeltem Output: Während Tom mit der großen Kamera filmt, bewegt Simon die Drohne über uns – und umgekehrt. Der Aufstieg wird zum epischen Approach. Bei bestem Wetter erreichen wir in den frühen Mittagsstunden den Kraterrand.
Man liegt sich in so einem Moment in den Armen, klatsch ab. Das ist nicht gespielt, sondern schlicht genau das, was die Emotionen in diesem Moment teilt. Leni strahlt, wie sie immer strahlt, wenn sie raus und rauf (und wieder hinunter) darf. Michi strahlt mit und Peppe ist sichtlich stolz auf seinen Berg. Für mich ist es das sechste Mal auf einem der Gipfelkrater, 5mal mit dem Bike – einmal mit Ski. Jedes Mal anders und dafür da, sich irgendwo zwischen Herz und Hirn einzubrennen.
Neverending Abfahrt.
Allein die Mathematik beeindruckt. Von über 3.300m werden wir gleich unsere Abfahrt beginnen. Das Rocca della Rosa residiert auf einer Aussichtsterrasse auf 500m. Ein wenig Gegenanstieg ist auch dabei. Macht SummaSummarum über 3.000 Tiefenmeter, wie sie vielseitiger kaum sein könnten.
Aber die Zahlen sind es nicht. Es ist dieses freie Surfen auf maßlos überdimensionierten Hängen, gewürzt durch Trailabschnitte, und jeder fährt sich anders und wartet mit neuen Herausforderungen auf uns. Der feine RimTrail, der uns in munterem Auf und Ab an der Flanke des Etna entlangreiten lässt. Der riesige steile und recht tiefsandige Hang, der uns alles abverlangt, um nicht erneut den Kaminkehrer zu geben. Allerfeinst ondulierte weite Gräben, die mit jedem Schwung zu Wallrides um die grüne Vegetation einladen. Und dann mein absoluter Lieblingsmoment: Nach ca. der Hälfte der Tiefenmeter tauchen wir ein in einen lichten Birkenwald. Hellgrün belaubte strahlendweiße Bäume auf schwarzem Grund. Ich werde nie vergessen, wie wir damals beim ersten Mal hier eintauchten und einfach schreien mussten. Weil es gar so unfassbar überraschend schön war…
Natürlich mandlt es längst wieder. Solche Aufnahmen machst Du auch als viel beschäftigter Bergfilmer nicht alle Tage. Die 360Grad-Kamera darf ran, natürlich die Drohne über uns und alle Nase lang liegt ein Kameramann hinter irgendeiner Kurve im Anschlag. Es macht richtig Spaß, dieses Team mit so viel Freude an der Arbeit zu beobachten.
Im unteren Drittel erwartet uns kreativ Gebautes im Wald und technisch Anspruchsvolles für all die, die noch Körner haben. Wir spüren: Gang rausnehmen, locker fahren. Ankommen. Es warten ja noch drei Drehtage auf uns. Und die Momente, die wir heute aufsammeln und in den Kasten bringen durften, nimmt uns keiner mehr…
Von O-Tönen, Dornenvögeln und Peppes Hometrail.
Der Abend nahm den gewohnt kulinarischen Verlauf. Und wir wussten – mit dem Gipfelsieg hatten wir bereits gewonnen – der Rest der Tage durfte die Kür sein nach dem Motto „nur das Beste ist genau gut genug“. Denn Etna hat auf jeder Seite neue Abenteuer zu bieten. Den StumpjumperTrail zum Beispiel, ein verspieltes Ding auf PinienNadelWaldboden. Peppe’s HomeTrail, ein winkeliges, steiniges Monster. „Hier hat mir mein Vater das Mountainbiken beigebracht“ meint er verschmitzt. Didaktisch ein Wahnsinn, denk ich mir. Es hat ihm nicht geschadet. Und der lange Weg bis ans Meer. Strandmomente. Mit Hindernissen allerdings. Unser Filmteam wollte vor Ort E-Bikes leihen, um besser durch die Touren mit all dem Übergepäck zu kommen. Sie hatten Schlauchreifen. Das Ergebnis aus dem Statistik-Bücherl: 3 e-Bikes: 12 Platten. 4 Pivots mit Schlauchlos-Reifen: 0 Platten. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.
Teil eines jeden Films in Bergauf Bergab sind die sogenannten O-Töne, Interview-Sequenzen, die nicht selten ins Innere der Protagonisten blicken lassen im Moment des Erlebens. Und so strahlt unsere Leni erstmals in ihrem Leben in eine Fernsehkamera und es sprudeln die wohlformulierten Worte aus ihrem Mund. Peppe erzählt von seinem Leben mit und auf dem Vulkan. Ich fühle einfach die Dankbarkeit, ihn und Mama Etna kennengelernt haben zu dürfen.
Und am Ende noch das goldene Sahnehäubchen.
Einen letzten Trail hatten wir uns die Tage vorher noch ausgeguckt. Einen Rimtrail, der so perfekt ausgerichtet ist, dass man ihn im letzten Licht des Sonnenuntergangs würde fahren können. Allein Mama Etna schien nun doch etwas dagegen zu haben. Es hatte sich, wie die Tage zuvor, auf der Südseite eine riesige Nebelbank eingenistet und unser Weg zum Trail führte genau dort hinein. Keine 50m Sichtweite. Mit jedem Meter wurde es zweifelhafter, ob wir den goldenen Moment des Sonnenuntergangs geschenkt bekommen würden.
Dann, keinen Kilometer vor diesem Trail, erste Lichteffekte. Leichte Löcher taten sich auf, um gleich darauf zu verschwinden. Und dann: Vorhang auf. 400m vor besagtem Grad treten wir ins Freie, der Sonne genau gegenüber. Tom und Simon gehen noch ein letztes Mal richtig steil – wir dürfen den Weg ein ums andere Mal abreiten – und wieder hinaufsteigen. Weil es schlicht so unfassbar schön war.
„Drehschluss – herzlichen Dank an alle…“
Wir sitzen zusammen und lassen diese Tage revuepassieren. Es wird eine Herausforderung, aus viel zu viel epischem Filmmaterial die 28 Minuten für den fertigen Beitrag zusammen zu komponieren. Wir hatten den ursprünglichen Plan komplett umwerfen müssen – und hatten wirklich alles, was wir uns vorgestellt hatten, geliefert bekommen. Weil es Mama Etna so wollte.
Epilog - und dann ist sie wahrlich explodiert…
Auf dem Weg nach Palermo. Zwei Tage nach Drehschluss. Erste Bilder vom Etna kommen über die Social Media herein. Mama Etna hat eine wahrlich große Eruption hingelegt. Und da zahlreiche Gruppen zu diesem Zeitpunkt oben unterwegs waren, sind Insta und Co. voll von Videos, in denen Menschen buchstäblich um ihr Leben laufen. Es ist manchmal ein feiner Grad zwischen epischem Erleben und Gefahr – und zum Glück ist niemandem etwas passiert.
Später stellt sich heraus, dass bereits um 5h morgens dieses Tages die Behörden die oberen Regionen des Etna aufgrund des gestiegenen Drucks im Inneren gesperrt hatten – und vereinzelte Agenturen und Guides dieses Verbot schlicht nicht beachteten.
Wir sind dankbar, mit Peppe einen Freund, aber eben auch einen so erfahrenen und umsichtigen Vulkanguide an unserer Seite zu wissen. Und um jeden Moment der vergangenen Tage bei Mama Etna…
Und wenn du selbst einmal ein Etna-Abenteuer erleben willst, schau dir die Angebote von TrailXperience an. Vielleicht wartet deine nächste Vulkan-Mission schon dort auf dich.
